Film: Ulli Lindenmann, Regie: Meret Matter
Orpheus Kopf hat noch gesungen, als die Mänaden bereits den Kopf von seinem Leib getrennt hatten. Orpheus konnte nicht anders. Sein Spiel auf der Kithara soll sogar Tiere und Pflanzen bewegt haben. Er hat an die Macht der Musik geglaubt und damit sogar den Herrscher der Unterwelt dazu bewogen, Eurydike dem Leben zurück zu geben. Orpheus wurde unsterblich als derjenige, der fast das Schicksal bezwungen hat. Er hat gelebt und er hat geliebt, aber vor allem war er Künstler.
Ausgehend von Cocteaus Film setzen sich Meret Matter und Ensemble in einer musikalischen Höllenfahrt mit dem Stoff aus der griechischen Mythologie auseinander. Ein Sänger und Musiker vernimmt in einer verzweifelten Phase seines Lebens die Geschichte von Orpheus. Immer tiefer versinkt er in der mythischen Figur und verliert bald den Bezug zur Realität. Seine Freundin stirbt und wird zu seiner Eurydike. Die Grenzen zwischen seiner eigenen Realität und Illusion verwischen sich immer mehr.
Dabei entsteht die Verquickung von einem gewaltigen Mythos mit den eigenen Lebensgeschichten der heutigen Künstler, von ewigen Themen mit aktuellen Problemen. Die Gruppe zeichnet dabei den Weg von der eigenen Identität zur Figur, von der Realität zur Kunst, von der Idee bis hin zum “Produkt“ nach. Um diese Überlagerung der Ebenen zu erreichen, benutzen sie Musik, Film und Theater und variieren das Thema. Immer auf der Suche nach Antworten zum ewigen Fragenkatalog der Kunstschaffenden:
Kann oder muss Kunst etwas bewirken? Wem nützt sie? Was macht unsere künstlerische Identität aus? Wieviel Authentizität ist eigentlich gefragt? Was für einen Zusammenhang gibt es zwischen der Idee und dem Produkt? Kann man würdig von Kunst leben? Gibt es das Wahre in der Kunst? Was hat unsere Identität mit dem künstlerischen Produkt zu tun? Ab wann verkauft man sich? Was treibt einen in die Kunst. Die Unsterblichkeit? Wie faszinierend ist der Tod? Wieso wirken Film und Musik direkter auf die Seele ein als Theater? Sind Worte im Weg? Gab es Orpheus wirklich? Wie oft darf man einen Mythos bearbeiten? Ist Kunst ein Mittel mit der Realität fertig zu werden oder umgekehrt? Ist die Realität ohne Kunst langweilig?
Schlachthaus Theater Bern.
